Fehlende Berechenbarkeit der Politik tue weh und wegen des Mangels an Beschäftigten drohe eine „Katastrophe“. Der neu gewählte WB-Landesgruppenobmann Jürgen Mandl im Gespräch mit Uwe Sommersguter in der Kleinen Zeitung.
Seit eineinhalb Jahren Pandemie, brüchige Lieferketten, steigende Kosten und jetzt noch die politische Krise – was bedeutet diese erneute schwere Unruhe für die Kärntner Wirtschaft?
JÜRGEN MANDL: Die Unternehmen haben sich schnell auf die Einschränkungen durch die Pandemie eingestellt. Vieles hat gut funktioniert, die Wirtschaft zieht wieder an, trotz der Probleme, die wir haben. Die Lieferketten sind weiterhin anfällig. Der Mitarbeitermangel verschärft die Probleme noch. Für die Kärntner Betriebe ist das alles eine extreme Herausforderung.
Und jetzt zusätzlich Verwerfungen durch die Regierungskrise.
Planbarkeit ist für jedes Unternehmen wichtig. Die fehlende Berechenbarkeit der Politik jetzt tut schon weh.
Wie sehr belastet das die Wirtschaft?
Es geht um die Umsetzbarkeit von Projekten in Digitalisierung, Infrastruktur, Bürokratie. In Österreich stehen jetzt die Dinge. Eine handlungs- und arbeitsfähige Regierung ist notwendig.
Befürworten Sie 3G am Arbeitsplatz?
Wie wollen wir den Winter bestehen? Das Schlechteste, das uns passieren kann, ist, wieder Geschäfte und Hotel zuzusperren. Gesetzlich geregeltes 3G ist das kleinste Übel.
Aber es gibt auch Widerstand unter den Unternehmern.
Es gibt unterschiedliche Positionen, das ist legitim. Viele Unternehmen machen es von sich heraus, die brauchen keine Vorschrift. Keiner will mehr Ausfälle haben. Unsere Prämisse muss sein: Nie mehr zuzumachen.
Sie haben den Mitarbeitermangel angesprochen. Durch 3G am Arbeitsplatz werden noch mehr wegbrechen, etwa im Tourismus.
Das wäre extrem. Da brauche ich pragmatische Lösungen, etwa nur einen Test pro Woche. Die Sorgen von Gastronomen und Hoteliers sind groß. Wir brauchen aber keine Impfpflicht. Man muss die Menschen überzeugen, es zu tun.
Impfen und 3G-Pflicht polarisieren auch die Unternehmerschaft selbst sehr.
Die Auseinandersetzungen beginnen, deutlich akzentuierter zu werden. Ich suche das persönliche Gespräch. Wenn jemand Impfungen für schlecht hält, muss man das hinnehmen.
35.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter werden in Kärnten bis 2030 fehlen. Wie gegensteuern?
Die erste und wichtigste Frage: wie gehen wir mit diesem Winter um? Um Linderung zu schaffen, bräuchte man eine Erhöhung der Kontingente für Saisonniers und eine Ausweitung der Mangelberufsliste, damit wir Menschen aus anderen Ländern holen können. Wir unternehmen auch alles, um die Lehre attraktiver zu machen. Und wir werden mehr qualifizierte Fachkräfte nach Österreich holen müssen und die Rot-Weiß-Rot-Karte überarbeiten. Diese muss weitaus niederschwelliger werden. Wenn wir aufgrund des Mitarbeitermangels nicht am Aufschwung teilhaben können, wäre das eine Katastrophe.
Das Thema trifft Kärnten noch stärker als andere, oder?
In Summe werden wir aber deutlich attraktiver. Kärnten kommt zum ersten Mal in die Sichtbarkeit, mit der Infineon als Leuchtturm und mit unseren Forschungseinrichtungen. Auch das Standortmarketing kommt auf die Reise. Wir nehmen jetzt Fahrt auf und zeigen, dass der Standort megacool ist.
Die Steuerreform hängt derzeit in der Luft. Viele kritisieren die CO2-Abgabe von 30 Euro je Tonne als zu niedrig. Was entgegnen Sie?
CO2 hat erstmals einen Preis bekommen. Man muss die Leute mitnehmen und Anreize für Investitionen schaffen. Die Steuerreform ist ein vernünftiger Kompromiss.
Die Körperschaftssteuer für Große sinkt, dafür werden KMU nicht entlastet, etwa durch fiktive Verzinsung des Eigenkapitals.
Wir haben ein gutes Papier mit großen Überschriften. Ich hätte mir natürlich viel mehr gewünscht.
Der öffentliche Verkehr ist eine große Schwachstelle Kärntens.
Ich muss in Regionen Investitionen tätigen, von denen ich weiß, dass sie sich nicht rechnen werden. Ich hoffe auch, dass die Baltisch-Adriatische Achse irgendwann fertiggestellt werden.
2025 eröffnet die Koralmbahn.
Ja, aber die endet in Klagenfurt. Für mich geht es um die Verbindung zum Hafen nach Triest. Ab Klagenfurt „potukle“ ich mit 50 km/h um den Wörthersee. Wir haben den Trockenhafen und den Zollbahnhof nicht fertig, das sind Grundvoraussetzungen.
Was wurde eigentlich aus der gerne wiederholten Wirtschaftskammer-Kritik an Verschuldung und Bürokratie in Kärnten?
Viele Dinge wurden durch die Pandemie nur überlagert, sie sind nicht weg. Aber wir haben auch etwas unternommen: Landesregierung und Wirtschaftskammer haben zehn konkrete Bauprojekte begleitet. Von klein bis groß. Um zu sehen, wo hapert es und welche Stellschrauben wir betätigen müssen. Das wird im November fertig. Wir wollen Projekte vereinfachen und schneller werden.
Die Erneuerbare Energie soll ausgebaut werden, es gibt Projekte, aber kaum Genehmigungen – für Wasserkraftwerke, PV-Flächenanlagen und Windräder.
Politik und Behörden müssen sagen, wie und wo Windräder stattfinden können. Man muss aufhören, dass sich Unternehmer bewerben, hohe Kosten haben und nach sieben oder acht Jahren heißt es: „Wir wollen doch nicht“. Das ist eine Frotzelei. Das Gleiche gilt für Solaranlagen.
Was muss am Flughafen passieren, damit dieser wieder diesen Namen verdient?
Ich habe es selbst erlebt: Ich musste beruflich mit dem Flugzeug nach Athen. Ab Laibach konnte ich nicht fliegen, also musste ich, wie in alten Zeiten, mit dem Auto nach Wien fahren. Ein Flughafen hat nur eine Bedeutung, wenn ich früh wegfliegen und am Abend heimkommen kann. Es muss regelmäßig geflogen werden, und ich brauche Destinationen. Sonst habe ich ein echtes Problem.
Wie kommt die Wirtschaft damit klar?
Die Menschen verflüchtigen sich und weichen aus.
Eine Belastung für den Wirtschaftsstandort?
Natürlich.
Was muss passieren?
Für uns hat der Flughafen nur einen Wert, wenn Flugzeuge ankommen und wegfliegen. Das passiert zu wenig. Und das ist nicht gut. Es muss auch bei den Destinationen etwas passieren. Was am Flughafen gebaut wird, ist nicht unser Thema.
Was, wenn die AUA, wie angekündigt, mit der Eröffnung des Semmeringtunnels 2027 alle Flüge nach Wien einstellt?
Dann muss ich nach Frankfurt, Amsterdam oder Zürich ab Klagenfurt fliegen können. Hätten wir keinen Flughafen mehr, wäre das ein Nachteil für diesen Standort. Einen Flughafen aufzugeben wäre fatal, ich bekomme ihn nie mehr wieder.
Die Landesregierung ist noch 18 Monate im Amt. Was muss jetzt unbedingt noch passieren?
Die Geschwindigkeit des Glasfaserausbaus muss erhöht werden. Die Pandemie ist nicht aus: Wir brauchen daher mehr Förderungen vom KWF für die kleineren Unternehmen. Und die Landesregierung muss Druck machen beim Ausbau der Koralmbahn bis zur Grenze.
Fürchten Sie eine Welle an Insolvenzen?
Befürchtungen hoher Ausfallsquoten, die da waren, sind nicht eingetreten. Die Kreditausfälle der Kärntner Banken sind wieder auf Normalniveau. Es werden mehr Insolvenzen kommen, aber ich gehe von keiner Explosion aus.
Kleine Zeitung: 11.10.21