Alles könnte so gut sein, gerecht und vor allem gleich. Von der Wiege bis zur Bahre wacht der gute Vater Staat über das Wohlergehen seiner dankbaren Bürgerinnen und Bürger, nimmt‘s den Reichen, gibt’s den Armen, sorgt für Gerechtigkeit in dieser heißesten aller Kapitalistenhöllen, schützt die Arbeiterklasse vor Ausbeutung und speist die hungrigen Kindermäuler.
Ungefähr so muss es in jenem Paralleluniversum zugehen, in dem Andreas Babler lebt und aus dem er die Überzeugung schöpft, am Traiskirchner Wesen solle die Republik genesen. Ausgerechnet jene kleine Republik, die jährlich die unvorstellbare Summe von 130 Milliarden Euro für den sozialen Ausgleich aufbringt und damit weltweit ganz weit vorne steht, was den Schlachtruf von der sozialen Gerechtigkeit betrifft. Mehr als 30 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung entfielen im vergangenen Jahr auf Sozialausgaben. „Die Umverteilung über Steuern, Sozialbeiträge und öffentliche Geld- und Sachleistungen führt in Österreich zu einer deutlich gleichmäßigeren Verteilung der Ressourcen auf die Bevölkerung“, sagte Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr erst vor wenigen Tagen bei der Präsentation einer großen Umverteilungsstudie.
Die gewaltige Staatsausgleichsmaschinerie führt – verkürzt – dazu, dass das untere Einkommensfünftel statt fünf Prozent immerhin 13 Prozent der Einkommen bezieht und das oberste Fünftel statt 44 Prozent nur 31. Durch die Umverteilung reduziere sich sowohl die Einkommensungleichheit als auch die Armutsgefährdung, folgern die Studienautoren. Das System funktioniert so gut, dass überhaupt nur mehr 20 Prozent der Menschen netto mehr ins System einzahlen, als sie herausbekommen; im Umkehrschluss: 80 Prozent bekommen mehr Transfers, als sie an Steuern und Abgaben leisten.
Doch was kümmern Babler Fakten, wenn es darum geht, die Sozialdemokratie vorwärts in die goldenen Zeiten zurückzuführen? In seiner Welt ziehen ausgemergelte Kinderscharen durch die Gassen, während auf den Straßen die Arbeiterklasse rote Fahnen schwingend marschiert, „Wir-sind-kei-ne-Bitt-stel-ler“ skandiert und verlangt, das „leistbare Leben“ – eine Art „Inflationsverbot“ für Lebensmittel, Strom Wasser, Wärme und Wohnen – als Staatsziel in die Verfassung zu schreiben. Wahrscheinlich gleich neben die 32-Stunden-Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich.
In der richtigen Welt funktionieren Bablers antiquierte Sozialistenträume leider nicht. Hier hat sich schon vor fast hundert Jahren das Konzept der sozialen Marktwirtschaft durchgesetzt mit dem Ziel, „auf der Basis der Wettbewerbswirtschaft die freie Initiative mit einem gerade durch die wirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt zu verbinden“ – so schrieb es erstmals der Nationalökonom Alfred Müller-Armack Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Will man also Wohnen billiger machen, könnte man – beispielsweise im gefühlt seit ewig rot regierten Wien – Bauvorschriften vereinfachen oder mehr Bauflächen ausweisen, damit der Kostendruck sinkt und die Mieten billiger werden. Doch der Wiener Bürgermeister Ludwig dürfte ohnehin von den Inflationshirngespinsten seines Parteikollegen Babler nicht übermäßig angetan sein: In der Bundeshauptstadt sind die Essenskosten an städtischen Horten und Ganztagsschulen sowie städtischen und privaten Kindergärten gerade um 10,5 Prozent hinauf geschnalzt.
So wird der vermeintlich visionäre Sozialreformer Babler eines Tages schmerzvoll erkennen müssen, dass seine Ideen in der echten Welt statt Fortschritt einen gewaltigen Rückschritt bedeuten. Ob er damit ein Wählerschwarm ist?
Meint Ihre
Sylvia Gstättner