Chinas „Silk Road“: Siegerstraße oder Irrweg?

Die Seidenstraßeninitiative und ihre geopolitischen Auswirkungen auf die Kärntner Wirtschaft analysierte Sicherheitsexperte Gunther Hauser von der Landesverteidigungsakademie im WB-Kärnten-Forum.

Will man die Seidenstraßeninitiative, ihre Bedeutung und die Ziele dahinter nur annähernd verstehen, muss man die geopolitischen Pläne Chinas kennen. Davon konnten sich die rund 50 Besucher des jüngsten WB-Forums überzeugen, denen Gunther Hauser, Leiter des Referats Internationale Sicherheit am Institut für Strategie und Sicherheitspolitik der Landesverteidigungsakademie (LVAk) in Wien und ausgewiesener Asien-Spezialist, ein differenziertes Bild zeichnete. Tenor: Mit dem chinesischen Drachen lassen sich gute Geschäfte machen – aber mit Respektabstand.

Über die Seidenstraße bis nach Europa

Den bösen Lindwurm konnte die tapferen Kärntner Bauern besiegen, der chinesische Drache ist aber auf den ersten Blick gar nicht angriffslustig und zerstörerisch. Im Gegenteil: Er ist äußerst hilfsbereit, vor allem aber, wenn man sich in finanzieller Not befindet. So konnte etwa Griechenland mit dem Verkauf des strategisch wichtigen Hafen Piräus seine Staatsschulden abbauen, hat sich aber gleichzeitig vom neuen Mehrheitseigentümer, der chinesischen Reederei Cosco, abhängig gemacht. Piräus ist neben Rotterdam und Antwerpen nur einer von mehr als 14 Häfen und Terminals, die China in Europa bereits besitzt bzw. an denen China Anteile hält.

Die neue Seidenstraße ist ein wichtiges Puzzleteil in Chinas Weltmachtstreben

In nur wenigen Jahrzehnten hat sich China von einem rückständigen Land zur wirtschaftlichen Supermacht entwickelt. Im Jahr 2049 wird das 100-jährige Jubiläum der Volksrepublik gefeiert – und bis dahin will Staatspräsident Xi Jinping das Land zur wirtschaftlichen Nummer eins in der Welt machen. Dieser Plan zur „Erneuerung der Nation“ und zum „Wiedererlangen des nationalen Stolzes“ ist äußerst engagiert:

  • Bis 2025 will man in 10 Schlüsseltechnologien die Weltspitze erlangen.
  • Bis 2035 soll China eines der innovativsten Länder der Welt werden (starke Mittelklasse, weitgehend beseitigte Kluft zwischen Arm und Reich).
  • Bis 2049 will China einen führenden Einfluss auf der Weltbühne durch ein „wirtschaftlich und militärisch stärkeres China“ haben.

Gesteuert wird der kometenhafte Aufstieg von der allmächtigen kommunistischen Volkspartei, die jeden Bereich des persönlichen Lebens und natürlich auch die komplette Wirtschaft kontrolliert: Auch jedes ausländische Unternehmen mit Sitz in China wird von einem Regierungsvertreter überwacht.

„Europa muss vorsichtiger sein“

China ist für die europäischen Staaten nicht nur als Investor relevant, sondern auch ein wichtiger Handelspartner. Trotzdem ist die Sorge vor dem „Drachen“ gewachsen: Deutschlands neue Sicherheitsstrategie geht auf vorsichtige Distanz, und auch Italien hat auf Anraten von Frankreich die Notbremse gezogen und eine weitere Beteiligung Chinas an den Häfen Venedig und Triest unterbunden. Künftig sollen wichtige Produkte wieder vermehrt in Europa hergestellt und kritische Technologien – vor allem solche, die auch militärisch genutzt werden können – nicht mehr exportiert werden.

Was bedeutet das für die Kärntner Wirtschaft?

Durch seine Lage an der Baltisch-Adriatischen Achse, aber auch durch den in Aufbau befindlichen Zollkorridor zwischen Villach/Fürnitz und dem größten Adriahafen Triest rückt der Wirtschaftsstandort Kärnten aus der früheren Randlage endgültig ins Zentrum Europas. Das bringt dem neuen „Wirtschaftsraum Süd“ mehr internationale Sichtbarkeit – sicher auch bei chinesischen Kapitalanlegern und Geschäftspartnern. Sicherheitsexperte Hauser rät allerdings, sich besonders bei Beteiligungen immer vor Augen zu halten, mit wem man es zu tun hat: Damit aus freigiebigen Investoren nicht plötzlich unternehmerische Invasoren werden.