Bildungskarenz: Work-Life-Balance aus dem Gleichgewicht?

Über mangelnden Leistungswillen, den Trend zu Teilzeitarbeit und außerberuflicher Selbstverwirklichung habe ich hier schon viel geschrieben. Da ist es umso erfreulicher, dass der Bildungshunger vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter massiv zunimmt: 2023 sind 25.000 Personen in Österreich in Bildungskarenz gegangen, was einen Anstieg von über 65% in den letzten vier Jahren bedeutet. Diese zunehmende Leidenschaft zur Weiterbildung lässt sich der Staat einiges kosten. Die Ausgaben im Jahr 2019 betrugen rund 210 Millionen Euro. Im Jahr 2023 waren es bereits 515 Millionen Euro.

Dem Rechnungshof ist im Zuge einer Prüfung aufgefallen, dass die Bildungskarenz häufig von Personen mit bereits hohem Bildungsniveau genutzt und zunehmend von Frauen an die Elternkarenz angeschlossen wird. Denn die zeitlichen und inhaltlichen Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung seien gering, vielfach werde die Fortbildungsmöglichkeit lediglich als öffentlich finanzierte Auszeit missbraucht, konstatiert der RH.

Das ist schade, denn die Bildungskarenz ist seit 1998 ein Instrument zur persönlichen Weiterentwicklung und kein Privileg der ohnehin gut Verdienenden, sich auf Kosten der Allgemeinheit eine entspannte Auszeit nehmen. In der Zeit der Karenzierung gibt es ein Weiterbildungsgeld, das dem Arbeitslosengeld entspricht, in der Höhe von 55 Prozent des vorangegangenen Nettoeinkommens. Damit will der Staat dazu beitragen, die persönliche Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen; von bezahltem Urlaub war nicht die Rede. Sonst laufen wir Gefahr, um viel Steuergeld bestehende soziale Ungleichheiten nicht nur nicht auszugleichen, sondern im Gegenteil zu vertiefen.

Lösungsmöglichkeiten könnten unter anderem darin bestehen, jenen, die es brauchen, höhere finanzielle Unterstützung anzubieten, um die Einkommensverluste während der Bildungskarenz auszugleichen. Flexiblere Arbeitszeitregelungen – Stichwort: Bildungsteilzeit – könnten ebenfalls dazu beitragen, die Vereinbarkeit von Bildung und Beruf zu verbessern.

Darüber halte ich es für wichtig, einerseits das Bewusstsein für die Bildungskarenz zu stärken und Möglichkeiten zur Nutzung dieses Instruments transparenter zu machen: Dies könnte durch gezielte Informationskampagnen und Beratungsangebote erfolgen, um sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter über ihre diesbezüglichen Rechte und Möglichkeiten informiert sind. Und andererseits muss eine Regulierung in Richtung einer entsprechend intensiven Qualifizierung, die am Arbeitsmarkt auch nachgefragt wird, durch den Gesetzgeber erfolgen.

Indem wir diese Maßnahmen ergreifen und Barrieren abbauen, können wir dazu beitragen, dass Bildung für alle besser zugänglich wird und dass das grundsätzlich gute Angebot einer Bildungskarenz sein volles Potenzial entfalten kann. Es liegt auch an uns, der Wirtschaft, aktiv dazu beizutragen, eine gerechtere und chancengleiche Gesellschaft zu schaffen, in der Bildung für alle eine selbstverständliche Realität ist. Und gleichzeitig durch besser ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Schlagkraft unserer Unternehmen zu erhöhen.

Meint Ihre,

Sylvia Gstättner