Vier-Tage-Woche ein Gewinn?

Ist die Vier-Tage-Woche ein Gewinn für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Diese Frage stellte die Kleine Zeitung an unseren WB-Landesgruppenobmann Jürgen Mandl. Hier seine Reaktion:

Die Vier-Tage-Woche ist ein Modell, das nur für einen Teil der Wirtschaft bei freiwilliger Vereinbarung funktioniert. Die Island-Studie galt überwiegend öffentlich Bediensteten. In der Privatwirtschaft schaut es anders aus.

Dass sich der Zugang unserer Gesellschaft zum Thema Arbeit ändern würde, war schon vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie absehbar. Aber Corona hat diese Entwicklung — wie viele andere, siehe Homeoffice — deutlich beschleunigt: Deshalb diskutieren wir heute nicht nur über die Frage, wo wir arbeiten, sondern auch wie viel.

Gleich vorweg: Wirtschaft ist Wandel; dass nichts bleibt, wie es ist, stellt für den Unternehmer den Normalfall und nicht die Ausnahme dar. Es kommt allerdings immer darauf an, die Situation zu verstehen, um auch die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Und hier beginnt unser Problem.

In einer zunehmend digital denkenden Gesellschaft, die nur mehr die Gegenpole Ja und Nein, Gut und Böse zu kennen scheint, bleiben wichtige Unterschiede und Unterscheidungen oft auf der Strecke. So auch bei der Vier-Tage-Woche, wie wir erst kürzlich lesen konnten: Island hat in einem groß angelegten Feldversuch Modelle der Arbeitszeitreduktion — einmal von 40 auf 35 Stunden, einmal von der Fünf- auf die Vier-Tage-Woche, jeweils bei gleichbleibenden Einkommen — getestet. Das Ergebnis waren entspanntere Mitarbeiter, angeblich ohne Produktivitätsverluste. Allerdings, und das scheint mir entscheidend, waren die allermeisten Versuchsteilnehmer öffentlich Bedienstete.

Wie schaut das in der Privatwirtschaft aus? In der Industrie oder generell im produzierenden Bereich sind kürzere Arbeitszeiten eventuell machbar, solange die Produktivität nicht leidet. Andererseits: Dasselbe Pensum in 20 Prozent weniger Arbeitszeit erledigen – sind wir sicher, dass das alle glücklicher macht?

In anderen Branchen wie etwa im riesigen Sektor der Dienstleistungen wird es schwieriger: Soll ein Handelsbetrieb dann mit den Arbeits- auch seine Öffnungszeiten verkürzen? Wenn er aber mehr Personal braucht (das es oft gar nicht gibt): Wer bezahlt die zusätzlichen Gehälter? Macht die kleine Bäckerei nur mehr vier Tage die Woche auf, während die Supermärkte sechs Tage, in Tourismusregionen auch sieben Tage offen haben? Wie wirkt sich eine Vier-Tage-Woche in Gastronomie und Hotellerie aus, wo es jetzt schon tausende offene Jobs gibt?

Fazit: Die Vier-Tage-Woche ist — wie das Homeoffice — ein zeitgemäßes Zukunftsmodell für einen Teil der Wirtschaft, dessen Anwendung je nach Branche und Betrieb freiwillig vereinbart werden muss. Sonst zahlen alle Beteiligten die Zeche: Betriebe, Mitarbeiter und Konsumenten.