In die Gänge!
Die Nationalratswahlen sind geschlagen, die Wählerin und der Wähler haben entschieden – was genau, darüber gehen nun die Meinungen auseinander.
Die Parteien lesen sich selbstverständlich allesamt als Sieger, die sattsam bekannten Fernsehexpertinnen und -experten werden – ganz im Gegensatz zu den ZuseherInnen – des Analysierens und Interpretierens nicht müde. Der Bundespräsident führt mit freundlich-ernster Miene wichtige Gespräche hinter der roten Tapetentür, die knappen Wortspenden der Besucher beim Abgang nähern sich der Verhöhnung des erwartungsvollen Publikums. Wen beauftragt der Bundespräsident mit der Regierungsbildung? Wer kann mit wem oder warum auch nicht? Nix ist fix, doch, eines: Es ist alles sehr kompliziert, deshalb wird es noch länger dauern als sonst, bis Österreich wieder eine handlungsfähige – und hoffentlich auch handlungswillige – Bundesregierung hat. Fast will man es mit Bert Brecht sagen: „Wir stehen enttäuscht und sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Während die Politik in Österreich ritualbeflissen um sich selbst kreist, dreht sich die Welt da draußen unbeeindruckt weiter. Und die ist aus Sicht der heimischen Wirtschaft derzeit ein ausgesprochen unerfreulicher Platz. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten nehmen an Intensität zu, die Rezession hält an, der immer wieder herbeigeredete Aufschwung lässt auf sich warten. Die Industrie steckt seit zwei Jahren in der Krise: Die aufgrund der Inflation hohen Lohnsteigerungen schlagen sich in einer starken Zunahme der Lohnstückkosten nieder, die die Wettbewerbsfähigkeit des traditionell starken Exportlandes Österreich ruinieren. „Wir preisen uns aus dem Weltmarkt raus“, hat der neue Präsident der steirischen Industriellenvereinigung, Kurt Maier, die Situation prägnant zusammengefasst.
Doch obwohl die Menschen mehr verdienen und hohe staatliche Transfers vom Teuerungsausgleich über den Klimabonus bis zur Valorisierung der Sozialleistungen erhalten, ist die Kauflaune getrübt: Der Konsum, wichtige Stütze der gebeutelten Volkswirtschaft, will nicht anspringen, der Handel stöhnt. Das BIP ist im Sinkflug, Österreich wird jeden Tag ärmer, die Arbeitslosenzahlen steigen deutlich, und die öffentlichen Haushalte von Bund, Land Kärnten und Landeshauptstadt Klagenfurt krachen in allen Fugen. Von dort ist keine Hilfe zu erwarten. Und auch nicht von der Bürokratie, die verlässlich weiterhin jedes unternehmerische Vorhaben verzögert, erschwert und verteuert.
Daher, liebe Politiker: Kommt in die Gänge! „Die Wirtschaft“, von der nicht nur die Unternehmerinnen und Unternehmer und ihre Beschäftigten, sondern auch die rund 360.000 öffentlich Bediensteten und mit ihnen das Gesundheits-, Bildungs-, Rechts- und alle sonstigen Systeme dieses Landes leben, hat keine Zeit mehr, darauf zu warten, bis die Sieger aller Lager die Wunden ihrer Eitelkeit geleckt, den Schock verdaut, ihre wieder aufpolierten Egos vermessen und dann vielleicht erst im neuen Jahr eine neue Bundesregierung zustande gebracht haben. Falls es sich bis hinter die rote Tapetentür noch nicht herumgesprochen hat: Wir stecken in ernsten Schwierigkeiten und brauchen dringend einen grundlegenden Reform- und Sanierungsplan für das Haus Österreich. Wir müssen Steuern und Abgaben senken, wieder wettbewerbsfähig werden, das Budget sanieren, die Bürokratie auf ein erträgliches Maß zurückstutzen und die Strom- und Gasversorgung des Standortes sichern, bevor wir noch weiter in die Energiepreisfalle tappen, vor der auch WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf schon gewarnt hat.
Denn es brennt nicht nur der Hut, sondern auch der Dachstuhl, und die Feuerwehr macht auch nicht erst einen Sesselkreis, sondern rückt mit dem Wasserwerfer an, meint Ihre
Sylvia Gstättner