Arbeitskräftemangel: AMS Vorstand über Facetten und Chancen
Dr. Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich, besuchte den Wirtschaftsbund Kärnten, um die Situation auf dem Arbeitsmarkt zu skizzieren und sich im Anschluss den Fragen der anwesenden Unternehmer zu stellen.
Der Misere Anfang
Die Corona-Pandemie hatte massive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Österreich. Im März 2020 stieg die Arbeitslosigkeit um 200.000 Personen an, gefolgt von 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Trotzdem blieb Anfang 2021 eine hohe Massenarbeitslosigkeit mit über 500.000 Menschen bestehen. Noch im selben Jahr kam es zum Arbeitskräftemangel. Das Wirtschaftswachstum von 5% brach alle Rekorde und führte zu einem drastischen Fachkräftemangel, der sich im Jahr 2022 weiter beschleunigte. Kärnten verzeichnete die niedrigste Arbeitslosenquote seit 15 Jahren, die Steiermark und das Burgenland wiesen die niedrigsten Quoten seit sogar 40 Jahren auf. Unternehmen waren schlussendlich gezwungen, auch mangelhaft ausgebildete Personen einzustellen.
Wie kann der Arbeitskräftemangel bewältigt werden?
Herr Kopf betont: „Wenige Arbeitgeber verstehen, dass auch der Arbeitsmarkt ein Markt ist“. Obwohl er durch Regulierungen und komplexe Faktoren beeinflusst wird, spielt das Konstrukt von Angebot und Nachfrage hier ebenfalls eine entscheidende Rolle.
Basierend auf seiner Tätigkeit und Erfahrung konnte der AMS-Vorstand mehrere Lösungsansätze mitbringen, die bereits erfolgreich angewandt werden:
- Stellenausschreibungen: Mittlerweile sehen sich Arbeitnehmer umworben und werden sich für das attraktivste Stellenangebot entscheiden. Dies kann genutzt werden, indem Formulierungen angepasst, der Bewerbungsprozess vereinfacht und die Alleinstellungsmerkmale hervorgehoben werden.
- Kinderbetreuung: Tourismusbetriebe könnten die Kinderbetreuung für Gäste ausbauen und den Nachwuchs der Angestellten integrieren, sodass diese auch abends oder am Wochenende arbeiten können.
- Finanzielle Anreize: Wer Floskeln wie „Bereitschaft zur Überzahlung“ angibt, rückt ins Hintertreffen, da konkretere Summen und Zukunftsaussichten die Zielgruppe besser ansprechen.
- Richtige Zielgruppe: Frauen arbeiten häufig im Teilzeitbereich – das birgt Potenzial. Aber auch hier muss zielgerichtet beworben werden.
Umdenken nötig
„Der Wettbewerb um Arbeitskräfte erfordert mittlerweile ähnliche Marketingstrategien wie im Kundensegment. Unternehmen müssen sich bewusst machen, dass sich die Konkurrenz erweitert hat und nun neben Kunden und Marktanteilen auch um Mitarbeiter gekämpft werden muss“, so Kopf.
Lösungsansätze
„Das Glück, das wir in Österreich haben“, sagt Johannes Kopf ironisch „ist, dass wir einige Punkte verschlafen haben und es dort Verbesserungspotenzial gibt.“ Zum Beispiel kann die Kinderbetreuung in Österreich massiv ausgebaut werden – hier kann man sich ein Beispiel an Frankreich nehmen. Anreize, wie weniger Steuern oder erschwingliche Kinderbetreuung, könnten dazu beitragen, dass Mehrarbeit für Eltern attraktiv wird. Es wird auch deutlich, dass bei der Personalbeschaffung gezielt Frauen angesprochen werden sollten, um deren Potenzial zu nutzen. Ein weiterer Ansatz besteht darin, Schicht- mit Teilzeitarbeit zu kombinieren, was keine leichte Aufgabe ist, jedoch bereits von einigen Unternehmen praktiziert wird. „Zuwanderung alleine wird das Problem nicht lösen“, betont Kopf. Österreich hat bereits einen hohen Zuwanderungsanteil im Vergleich zu anderen EU-Ländern.
Deutschland macht es vor
Ein interessantes Beispiel aus Deutschland ist die Zusammenarbeit der Bundesagentur für Arbeit mit der Entwicklungshilfe in Indonesien. Dort wird eine Universität mit deutschen Mitteln finanziert und im Gegenzug dürfen die Hälfte der Absolventen für den deutschen Arbeitsmarkt abgeworben werden. Weiters bestehen Kooperationen mit China, die den dortigen Lehrlingen erlauben, nach deutschem Ausbildungsrecht in Fabriken von BMW, Audi und VW zu arbeiten, die Sprache zu lernen und nach absolvierter Ausbildung die Möglichkeit haben, nach Deutschland einzuwandern. Solche Kooperationen und Projekte könnten auch in Österreich umgesetzt werden, denn hierzulande ist ein Stand auf einer Berufsmesse bereits das höchste aller Gefühle.
Unternehmer-Impulse und Fragen
Klaus Kronlechner äußerte Bedenken hinsichtlich der Anforderungen der „Rot-Weiß-Rot – Karte“, die für einige Arbeiten als zu hoch angesehen werden. „Es bedarf keiner besonderen Deutschkenntnisse, um simple Hilfsarbeiten auszuführen“, so der Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk. Der Lösungsvorschlag von Johannes Kopf: ein vereinfachtes Kontingent, welches je nach Bedarf angepasst werden kann. Der Innungsmeister des Baugewerbes Robert Rauter brachte den Vorschlag ein, dass 10 Überstunden lohnsteuer- und SVA-abgabenfrei sein sollten, um hiermit Anreize für Arbeitnehmer zu schaffen, Mehrarbeit zu leisten. Der Spartenobmann von Information und Consulting Martin Zandonella erwartet, dass sich die Situation noch verschlimmern wird und hält es für wichtig, sich darauf zu fokussieren, mit weniger Arbeitskräften mehr Leistung erbringen zu können. Die Fachgruppenobfrau der Reisebüros Andrea Brennacher-Springer erzählte, dass einige ihrer besten, kurz vor dem Ruhestand stehenden Mitarbeiterinnen, eigentlich lieber weiterarbeiten würden, sich dies aber steuertechnisch für sie nicht auszahlen würde. Dr. Johannes Kopf hatte zwar keine unmittelbare Lösung für das Problem konnte aber auf eine Initiative des AMS aufmerksam machen, die sich damit beschäftigt Arbeitskräfte aus anderen Abteilungen oder mit mangelnder Ausbildung und Erfahrung hochgeschult und somit zu passablen Nachfolgern werden.
Es braucht ein Zusammenrücken
Die Hotelierin Heide Pichler-Herritsch präsentierte ihr Projekt „Team Haus Kärnten“, das Arbeitgebern dabei helfen soll, attraktiver zu werden. Ein Hauptthema des Projekts ist die Bereitstellung von Mitarbeiterunterkünften, die derzeit knapp sind und nur von größeren Unternehmen finanziert werden können. Johannes Kopf machte darauf aufmerksam, dass hier auch die lokalen Entscheidungsträger gefragt seien: „Regionen müssen im Wettbewerb um Arbeitskräfte aktiv werden und Standortmarketing betreiben. Es bedarf einer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der Politik.“
Eine Herausforderung – viele Akteure
Der Arbeitskräftemangel stellt eine Herausforderung dar, die durch eine Kombination von Maßnahmen und Lösungsansätzen bewältigt werden kann. Durch eine gezielte Ansprache von Frauen in Teilzeit, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Umschulungsprogramme, flexible Arbeitszeitmodelle und Standortmarketing können Arbeitskräfte gewonnen und langfristig gehalten werden. Es ist entscheidend, dass verschiedene Akteure, einschließlich Unternehmen, Regierungsinstitutionen und Bildungseinrichtungen zusammenarbeiten, um den Arbeitsmarkt in Österreich zukunftsfähig zu gestalten.