Warum Teilzeit uns teuer zu stehen kommt
Die von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer angestoßene Diskussion über die Teilzeitarbeit zieht weite Kreise. Fakt ist: Fast jede zweite Frau und gut jeder zehnte Mann arbeitet in Teilzeit – deutlich mehr als im EU-Durchschnitt. Dabei begünstigt das staatliche System den Trend zu weniger Arbeit, indem es Mehrleistungen nahezu bestraft. Welche Nachteile hat die Teilzeit für die Betroffenen und die Wirtschaft und welche Reformen sind dringend notwendig?
Wie eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) zeigt, sind die Gründe für die Entscheidung zur Teilzeitarbeit vielfältig – mit gravierenden Auswirkungen auf die Wirtschaft. Denn bei einem gleichbleibend hohen Fachkräftebedarf ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten in den letzten Jahren stetig gestiegen. Ein Argument fällt jedoch als Grund aus: Der Mangel an passenden Vollzeitstellen. Laut Studie geben nur sieben Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen und zehn Prozent der teilzeitbeschäftigten Männer an, keine Vollzeitstelle gefunden zu haben.
Falsche finanzielle Anreize
Die Studie des BMAW bringt Überraschendes zutage: Während Teilzeit für Frauen – besonders für Mütter von betreuungspflichtigen Kindern – eine wichtige Rolle spielt, wünschen sich auch viele Frauen ohne Kinder immer häufiger eine Teilzeitbeschäftigung. Rund ein Viertel der Frauen und ein Drittel der Männer wollen ausdrücklich in Teilzeit arbeiten.
Ein wichtiger Grund dafür ist, dass das österreichische System nach wie vor weniger Arbeit begünstigt und Mehrleistungen bestraft. Problematisch ist vor allem die Möglichkeit, Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe mit einer geringfügigen Beschäftigung zu kombinieren. Laut den Studienautoren ist dies für viele eine attraktive Alternative zur Vollzeitbeschäftigung, da Einkünfte unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze nicht angerechnet werden. Wird diese Grenze überschritten, entfällt die Unterstützung abrupt – ein klarer Anreiz, die Arbeitszeit nicht auszuweiten. Hinzu kommen weitere Begünstigungen für niedrige Einkommen, die nicht unterscheiden, ob diese aus wenigen Stunden oder niedrigen Löhnen resultieren. Das spätere Renteneinkommen wird hierbei oftmals komplett außer Acht gelassen. Ein fataler Fehler, der Altersarmut Vorschub leistet.‘
Vollzeitarbeit muss sich wieder lohnen – sonst bleiben Einkommen, soziale Sicherheit und unsere Wirtschaft auf der Strecke. Nur wenn die Politik jetzt die richtigen Anreize setzt, schaffen wir nicht nur mehr Arbeitsplätze, sondern sichern langfristig Wohlstand, soziale Stabilität und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts.“ Sylvia Gstättner – Direktorin Wirtschaftsbund Kärnten
Fehler im System
In der Studie wird dies anhand eines Beispiels deutlich herausgearbeitet. Jeder sechste Bezieher von Notstandhilfe stockt das Einkommen mit einer geringfügigen Beschäftigung auf. Wer jedoch mehr als geringfügig arbeitet, verliert die vollständige Unterstützung. Ein Rechenbeispiel verdeutlicht dies: Bei einer Kombination aus Notstandshilfe, geringfügiger Beschäftigung und einem Stundenlohn von 15,60 Euro bleiben bei sieben bis acht geleisteten Wochenarbeitsstunden am Ende des Monats etwa 1.600 Euro netto. Bei einer Arbeitszeit von zehn Stunden sinkt das Einkommen hingegen auf 600 Euro netto.
Nachteile und wirtschaftliche Risiken
Hohe Teilzeitquoten wirken wie ein doppelter Bremsklotz – für die persönliche Absicherung und Karriereentwicklung ebenso wie für das gesamtwirtschaftliche Potenzial. Was für viele Beschäftigte eine individuelle Entscheidung für mehr Flexibilität ist, hat in Summe weitreichende Folgen: geringere Einkommen, schwächere soziale Absicherung und weniger Steuereinnahmen, die dringend für den Ausbau jener Infrastruktur benötigt werden, ohne die Vollzeitarbeit vielfach unmöglich ist. Die wichtigsten Folgen im Überblick:
- Einkommens- und Pensionslücke: Für Beschäftigte bedeutet Teilzeit meist geringere Einkommen, reduzierte Sozialversicherungsbeiträge und damit deutlich niedrigere Pensionsansprüche.
- Karrierenachteile: Viele wichtige Schlüssel- oder Führungspositionen werden in Vollzeit besetzt, was Teilzeitkräften den Aufstieg erschwert.
- Armutsfalle: Niedriges Einkommen, hohe Teilzeitanteile und unterbrochene Erwerbsbiografien erhöhen das Risiko, bei unvorhergesehenen Lebensereignissen oder im Alter in finanzielle Not zu geraten.
- Geringere Steuer- und Abgabenleistung: Weniger Einkommen bedeutet weniger Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge – das bremst staatliche Investitionen in wichtige öffentliche Systeme wie Bildung, Gesundheit oder Kinderbetreuung.
- Produktivitätsverluste: Ein hoher Anteil an Teilzeitkräften bedeutet weniger Arbeitsstunden insgesamt – in Zeiten von Fachkräftemangel ein spürbarer Engpass.
- Wachstumsbremse: Unbesetzte Vollzeitstellen hemmen die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit heimischer Betriebe, besonders in Schlüsselbranchen.
Dringender Reformbedarf
Ein System, das Mehrarbeit bestraft, benötigt dringend Reformen. Die Autoren der Studie unterbreiten hierzu Vorschläge. Der weitreichendste Vorschlag könnte rund 44.000 dringend benötigte Vollzeitarbeitsplätze schaffen. Dies würde durch die Abschaffung der Geringfügigkeitsgrenze bei Arbeitslosengeld und Notstandhilfe sowie die erneute Einführung der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandhilfe erreicht. Es ist an der Zeit, dass die Politik die richtigen Anreize setzt, die Mehrarbeit begünstigt.


