Neustart: Bauwirtschaft als Schlüsselbranche
Die Bauwirtschaft ist für Kärnten eine Schlüsselbranche und wird beim Neustart bzw. beim Hochfahren der Wirtschaftskreisläufe eine entscheidende Rolle spielen. Die ARGE Bauwirtschaft fühlt sich von den Gemeinden alleine gelassen.
5.000 Unternehmen – vom Baustoffhersteller über Planer und Architekten bis zu den ausführenden Gewerken (wie beispielsweise Baumeister, Installateur oder Maler) – geben rund 40.000 Menschen Arbeit und Einkommen. „Dieser wichtige Wirtschaftsmotor läuft als Folge der Corona-Krise nicht rund“, warnt nun Gerhard Oswald, Obmann der Branchenvertretung ARGE Bauwirtschaft. Dabei ist das Funktionieren dieses wirtschaftlichen Impulsgebers eine Voraussetzung für den Lebens- und Wirtschaftsstandort Kärnten: Der Anteil der Bauwirtschaft am gesamten Kärntner Produktionswert beträgt 25 %. Die Baubranche ist dabei wesentlich von öffentlichen Aufträgen abhängig: Im Tiefbau sind es 70 %, im Hochbau 30 %.
Oswald: „Die Bedeutung der Kärntner Bauwirtschaft liegt aber nicht nur in den sehr hohen Produktions-, Beschäftigungs- und Lehrlingsausbildungs-Effekten, sondern insbesondere in den sehr hohen volkswirtschaftlichen Multiplikator-Effekten (Vervielfältigungswirkungen) von Bauinvestitionen.“ Bei einer Bauinvestition von einer Million Euro werden über diese Multiplikatorwirkung heimische Produktionswerte von 1,48 Mio. Euro ausgelöst.
In der Corona-Krise kämpft die Bauwirtschaft neben vielen anderen Problemen wie unterbrochenen Lieferketten, fehlender Schutzausrüstung, dem Facharbeitermangel oder drohenden Pönalzahlungen, aber auch mit hausgemachten Schwierigkeiten in der öffentlichen Verwaltung: Der sommerliche Baustopp in vielen Kärntner Seengemeinden macht der Branche ebenso zu schaffen wie die stockenden Genehmigungsverfahren bei den Baubehörden und der Verfahrens- und Entscheidungsstillstand von rund sechs Wochen aufgrund des 2. Covid-19-Begleitgesetzes. Oswald: „Mit dieser Geisteshaltung kann ich mir nur schwer einen erfolgreichen Neustart vorstellen.“
Sommerbaustopp
Bereits vor Wochen hat die Wirtschaftskammer Kärnten mit der ARGE Bauwirtschaft im Rahmen eines Baugipfels die Regierung gebeten, an die Gemeinden heranzutreten, sie mögen doch den in vielen Gemeinden während der Sommermonate herrschenden Baustopp lockern. In der WK wurde dazu zwischen Bauwirtschaft und Tourismusbranche ein Kompromissvorschlag ausgearbeitet: Die Tourismuswirtschaft hat keinerlei Bedenken, dass Bauvorhaben im Mai (und solange die Hotellerie gesperrt ist) grundsätzlich erlaubt werden. Sie ist auch einverstanden, dass die in den Baubescheiden als Auflage formulierten Bauverbote auch in den Monaten Juli und August aufgehoben werden – allerdings eingeschränkt auf Baumaßnahmen, durch die keine oder geringe Lärmbelästigung zu erwarten sind, wie z.B. im Innenausbau. Keine Bedenken gibt es auch bei Bauvorhaben, die in keiner unmittelbarer Nähe zu Tourismusbetrieben und nicht in touristischen Kernzonen liegen.
Mit Schreiben vom 15. April 2020 hat das Amt der Kärntner Landesregierung den Gemeinden aufgezeigt, welche Möglichkeiten es gibt, die bestehenden Baustopp-Auflagen in den Bescheiden zu lockern. Oswald: „Grundsätzlich stellt die Aufsichtsbehörde klar, dass Gemeindeverordnungen nach der Kärntner Bauordnung, in denen ein befristeter Baustopp in den Sommermonaten festgelegt wurde, aufzuheben sind, da sie rechtwidrig sind. Wenn in gültigen Baubescheiden eine Auflage bezüglich Sommerbaustopp besteht, so hat die Gemeinde die Möglichkeit, diese Bescheidpunkte von Amtswegen abzuändern. Diese Möglichkeit, die sommerlichen Baustoppauflagen wäre die einfachste Lösung und die Gemeinden werden gebeten, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und die Bauherren dahingehend zu informieren.“
Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Bauherr als Bewilligungsinhaber um eine Änderung dieser Auflage bei der Baubehörde ansucht. Die Gemeinde könnte dann den Antrag auf Abänderung ohne mündliche Verhandlung bescheidmäßig erledigen.
Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass die Oberbehörde die Gemeinden darauf hinweist, dass bei Bescheidverletzungen die im Verwaltungsstrafgesetz verankerte Verpflichtung „Beratung vor Bestrafung“ anzuwenden ist. Oswald: „Bisher ist die Reaktion der Gemeinden auf dieses Schreiben der Landesregierung recht schleppend.“
Stockende Genehmigungsverfahren
Vielfach haben die Gemeinden bereits anberaumte Verhandlungstermine mit Hinweis auf Covid-19 einfach kurzfristig abgesagt. Mit Schreiben von 1. April 2020 hat das Amt der Kärntner Landesregierung mit einem Schreiben an die Kärntner BürgermeisterInnen klargestellt, dass nach wie vor mündliche Verhandlungen in Baubewilligungsverfahren durchgeführt werden können, wenn die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. Weiters weist das Land auf die Möglichkeit der vereinfachten Bewilligungsverfahren nach der Kärntner Bauordnung hin und fordert die Gemeinden auf, von dieser Möglichkeit des beschleunigten Verfahrens (ohne zwingende Augenscheinverhandlung) Gebrauch zu machen.
Auch bei Betriebsanlagengenehmigungsverfahren sollte es zu keinen Genehmigungsstaus kommen, da auch bei diesen Verfahren Verhandlungen durchgeführt werden dürfen und die zuständige Abteilung im Amt der Kärntner Landesregierung bereits Anfang April klargestellt hat, dass die Sachverständigen des Landes im vollen Umfang zur Verfügung stehen: Gutachten und Stellungnahmen können digital erstellt werden, die Teilnahme an Verhandlungen wäre über Skype und in Ausnahmefällen auch vor Ort möglich. Oswald: „Auch hier kann ich keine gesteigerte Bewegung seitens der Bezirkshauptmannschaften erkennen, um den bereits entstandenen Stau aufzulösen.“
Verfahrens- und Entscheidungsstillstand
Ein weiteres Problem ist durch das 2. Covid-19-Begleitgesetz entstanden: Demzufolge werden bis zum Ablauf des 30.04.2020 alle gesetzlichen Fristen unterbrochen und beginnen mit 1. Mai 2020 wieder neu zu laufen. Im Ergebnis bedeutet das, dass die Behörden seit dem 21. März 2020 kaum mündliche Verhandlungen mehr anberaumen und auch keine Bescheide mehr zugestellt haben. Oswald: „Kärntenweit wird die Summe aller Bau-, Gewerbe-, Wasser-, Naturschutz- und Forstrechtsverfahren, die dadurch gestoppt wurden, wohl weit über 1.000 liegen.“ Hier erwartet die Wirtschaft nach Auslaufen dieser Frist eine rasche unbürokratische Abarbeitung durch die Verwaltungsbehörden oder eine unbürokratische Gesamtlösung durch ein weiteres Covid-19-Gesetz, mit dem die Verfahrensabläufe zur Wiederbelebung der Wirtschaftsleistung und des Arbeitsmarktes wesentlich erleichtert werden.
Oswald: „Die Bauwirtschaft ist eine Schlüsselbranche für den Neustart: Die Wirtschaftskammer Kärnten mit der ARGE Bauwirtschaft ersucht die Behörden – Baubehörden in den Gemeinden und Gewerbebehörden bei den Bezirkshauptmannschaften – alle gesetzlichen Möglichkeiten zu prüfen und zu nutzen, um möglichst rasch den bestehenden Genehmigungsrückstau zu beenden bzw. abzubauen.“
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